- Buchdruck: Bewegliche Lettern verändern die Welt
- Buchdruck: Bewegliche Lettern verändern die WeltDie Erkenntnis, dass man Texte nicht nur mit der Hand abschreiben, sondern auf technischem Weg in großen Stückzahlen vervielfältigen kann, entwickelte sich in Ostasien, lange bevor sie in Europa heimisch wurde. Schon im frühen Mittelalter kannte man in China, Korea und Japan Vorformen des modernen Buchdrucks, etwa die Technik der Vervielfältigung von Texten mithilfe von Holzschnitten, die Abdrucke auf Papier oder Seide ermöglichten. Holztafeldrucke mit religiösen Texten wurden im Fernen Osten bereits im 8. Jahrhundert millionenfach hergestellt.Auch der Druck mit beweglichen Schriftzeichen wurde außerhalb Europas erfunden. Zwischen den Jahren 1041 und 1048 fügte der chinesische Schmied Pi Sheng gebrannte tönerne Zeichen in Eisenrahmen zu Seiten zusammen, die im Abreibeverfahren einseitige Abdrucke erlaubten. Koreanische Drucker entwickelten das Verfahren entscheidend weiter. Mindestens zwei Jahrhunderte vor Gutenberg druckte man in Korea bereits mit bronzenen Schrifttypen, die sich zur massenhaften Herstellung buddhistischer Texte weit besser als die zerbrechlichen Keramiktypen eigneten. Die erforderlichen Gussformen entwarf man in Anlehnung an Vorbilder, die bei der Münzherstellung gebräuchlich waren. Der koreanische Buchdruck mit metallenen Schriftzeichen blieb auf klassische chinesische Literatur beschränkt, der Druck von Texten im koreanischen Alphabet wurde vernachlässigt. Die bahnbrechende Erfindung trug deswegen weder zur Modernisierung des Landes bei, noch konnte sie eine Wirkung außerhalb Koreas entfalten.In Europa, das Papier als Beschreibstoff erst seit dem 12. Jahrhundert durch die Vermittlung der Araber von den Chinesen kennen gelernt hatte, wurden bis ins 15. Jahrhundert Bücher fast ausschließlich in mühsamer Schreibarbeit hergestellt. Während des Mittelalters schrieben oder kopierten Mönche, Nonnen und Lohnschreiber in Klöstern, an Höfen und in Städten religiöse und weltliche Texte auf Pergament, seit dem 14. Jahrhundert auch auf Papier. Erst im späten Mittelalter nutzte man auch schon die Technik des Holztafeldrucks für Einblattdrucke. »Blockbücher«, die mehrere Einblattdrucke zusammenfassten, vereinigten in einfacher Form oft Texte und Bilder und sollten die kaum gebildeten Schichten der Bevölkerung ansprechen.Gutenberg - Der Erfinder der »schwarzen Kunst« in EuropaJohannes Gensfleisch zur Laden, der sich später Gutenberg nannte, kommt das Verdienst zu, den Buchdruck mit beweglichen Lettern für Europa neu erfunden und technisch weiterentwickelt zu haben. Johann Mentelin in Straßburg oder Laurens Coster in Haarlem und andere, weniger bedeutende Konkurrenten können ihm, nach allem, was man weiß, diesen Erfolg kaum streitig machen. Auch eine direkte Beeinflussung durch ostasiatische Vorläufer konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Von Gutenbergs Lebenslauf ist wenig bekannt. Er stammte aus Mainz, erlernte möglicherweise das Goldschmiedehandwerk; vielleicht hat er auch ein Universitätsstudium absolviert. Zwischen 1434 und 1440 lebte er in Straßburg, schließlich wieder in seiner Heimatstadt, wo er 1468 auch starb. Das Jahr 1440 gilt als das Geburtsjahr des Buchdrucks, wobei unklar bleibt, ob die ersten Drucke in Straßburg oder in Mainz entstanden. 1448 richtete er eine Druckerei in Mainz ein. Seit 1449 arbeitete er mit Johannes Fust zusammen. Gutenbergs berühmtestes Werk, die 42-zeilige Bibel in zwei Bänden, entstand in den Jahren 1452-55.Die Leistung Gutenbergs bestand in der Perfektionierung mehrerer Details, die im Vergleich zu den ostasiatischen Vorläufern das Druckverfahren revolutionierten. Von großer Bedeutung war die Erfindung eines technisch anspruchsvollen Handgießinstruments aus Messing, das mithilfe unterschiedlicher Buchstabenmatrizen an einem Tag die Herstellung mehrerer Hundert wieder verwendbarer Buchstaben aus einer Blei-Zinn-Antimon-Mischung erlaubte. Die Lettern wurden vom Setzer aus dem Setzkasten mithilfe eines Winkelhakens zu Zeilen und Seiten zusammengefügt, wobei Wortzwischenräume und Leerstellen mit unterschiedlich großen Ausschlüssen festzulegen waren. Vor dem Druck wurde mit Druckerballen, den Tampons, eine Ruß-Leinöl-Mischung, die Druckerschwärze, aufgetragen. Besonders wichtig wurde die Erfindung der Druckerpresse, die Gutenberg nach dem Vorbild von hölzernen Pressen entwickelte, wie sie beim Keltern des Weins oder beim Bedrucken von Textilien mit Holzmodeln gebräuchlich waren. Die neue Druckerpresse ermöglichte zweiseitig bedruckte Seiten, außerdem weit raschere und gleichmäßigere Abdrücke als die alte Abreibetechnik mit der Hand. Sie wurde über 300 Jahre fast unverändert nachgebaut. Später ersetzte man sie durch eiserne Konstruktionen und schließlich durch die modernen Schnellpressen.Die Demokratisierung der BildungDer Buchdruck mit beweglichen Lettern gehört zu den Fundamenten der modernen Kultur. Die Erfindung Gutenbergs breitete sich bald in der ganzen Welt aus. Sie ermöglichte die Verbreitung geistiger Güter in einer zuvor nicht gekannten Geschwindigkeit. Schon bald druckte ein Drucker an einem Tag, schließlich in wenigen Stunden mehr, als ein Schreiber in einem Jahr mit seiner Feder schreiben konnte. Weil ein Text mit dem neuen Verfahren fast unbegrenzt vervielfältigt werden konnte, erreichten die Gedanken eines Einzelnen in standardisierter Form bald Millionen von Menschen. Dies war möglich, weil gedruckte Broschüren und Bücher auch für diejenigen Bevölkerungsschichten erschwinglich wurden, die sich die teuren Pergamenthandschriften nicht hatten leisten können. Ohne den Buchdruck wäre die Demokratisierung der Bildung nicht denkbar gewesen.Der Buchdruck hat sämtliche großen historischen Entwicklungen der Neuzeit beschleunigt und intensiviert. Die Verbreitung der antiken Schriften während des Humanismus und der Renaissance wäre ohne Gutenbergs Erfindung ebenso unmöglich gewesen wie der rasche Erfolg der protestantischen Reformation, die sich der neuen Technik von Anfang an mit nachhaltigem Erfolg bediente. Nicht weniger profitierten der Schul- und Universitätsunterricht, die Politik sowie die wissenschaftliche Diskussion von den Einblattdrucken, Flugschriften, Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, die einen lebhaften literarischen Markt entstehen ließen. Der Druck von Werken der schönen Literatur, der bildenden Kunst und der Musik ermöglichte die ästhetische Bildung breiter Bevölkerungsschichten. Schon bald war es möglich, in einer Bibliothek, die sich zunächst nur Adlige, Städte und reiche Bürger, später auch weitere Kreise der Bevölkerung leisten konnten, in kurzer Zeit mehr Druckwerke zu studieren, als das zuvor einem umherreisenden Gelehrten während seines ganzen Lebens möglich gewesen war.Die Erzeugnisse der Druckerpresse transportierten von Anfang an nicht nur dasjenige Wissen, das im Auftrag von Staat, Kirche und Gesellschaft verbreitet werden sollte, aus den Druckerpressen strömten stets auch Meinungen, die den herrschenden Mächten nicht genehm waren und deswegen von kirchlichen und staatlichen Zensurinstanzen verfolgt wurden. In demokratischen Gesellschaften ermöglicht der Buchdruck die freie und rasche Artikulation von Meinung und Gegenmeinung. Das in den Bibliotheken versammelte Wissen bildet eine notwendige Voraussetzung jeden wissenschaftlichen und technischen Fortschritts, auch wenn es künftig statt in gedruckten Büchern in elektronischen Medien gespeichert werden sollte.Prof. Dr. Paul Münch
Universal-Lexikon. 2012.